Das Lied vom Hürnen Seyfrid |
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Der hürnene Siegfried
Nach dem ältesten Drucke bearbeitet
von
Karl Pannier
Erstes Abenteuer
Wie Siegfried hürnen ward.
1. Zweites Abenteuer
Wie Kriemhild von einem Drachen entführt ward.
Es saß in Niederlanden
Ein König wohlbekannt,
An Macht war er gewaltig,
Siegmund ward er genannt.
Dem ward von seiner Frauen
Ein Sohn, der hieß Siegfried:
Des Wesen sollt ihr hören
Allhier in diesem Lied.
2.
Der Knabe war mutwillig,
Dazu so stark und groß,
Daß Vater sein und Mutter
Das Ding gar sehr verdroß.
Sein Lebtag keinem Menschen
Wollt er sein untertan:
Ihm stand danach sein Sinnen,
Daß er nur zög hindann.
3.
Des Königs Räte sprachen:
"Nun laßt ihn ziehn hindann,
Will er nicht länger bleiben,
Das ist der beste Plan.
Laßt ihn sich denn versuchen,
Das bändigt ihn fürwahr;
Er wird ein kühner Recke,
Lebt er noch ein paar Jahr."
4.
So schied also bald von dannen
Der junge, kühne Mann.
Da lag vor einem Walde
ein Dorf, das lief er an.
Er kam zu einem Schmiede,
Dem wollt er dienen recht,
Ihm auf das Eisen schlagen
Als zweiter Schmiedeknecht.
5.
Er schlug entzwei das Eisen,
Den Amboß in die Erd
Und hat sich, ward ihm Strafe
Deshalb, nicht dran gekehrt.
Er schlug den Knecht und Meister,
Trieb hin und her die zwei;
Oft dachte nach der Meister,
Wie er sein würde frei.
6.
Nicht weit bei einer Linde
Ein großer Drache lag:
Da schickt ihn hin der Meister,
Daß er dort frage nach.
Des Köhlers sollt er warten,
Der dorten saß im Tann,
daß er zum Lindenbaume
Ihm Kohlen brächt heran.
7.
Der Drache sollt ihn töten,
So dachte der böse Mann.
Da er nun kam zur Linde,
Griff er den Drachen an
Und hatt ihn bald erschlagen,
Der junge, kühne Mann:
Da dacht er an den Köhler,
Ging zu ihm in den Tann.
8.
Er kam zu einer Wildnis.
So viel Gewürm lag da,
Lindwürme, Kröten, Ottern,
Wie er noch niemals sah
In seinem Leben liegen
Im bergumtürmten Tal.
Da holt er viele Bäume,
Die er ausriß überall.
9.
Die warf er auf die Würme,
Daß keiner konnte fort
Und alle bleiben mußte,
So viel auch waren dort.
Dann lief er hin zum Köhler,
Bei dem er Feuer fand.
Das Holz ward angezündet
Und das Gewürm verbrannt.
10.
Der Würme Hornhaut weich ward,
Floß wie ein Bächelein;
Siegfried, darob verwundert,
Den Finger stieß hinein.
Da ward wie Horn der Finger,
Sobald er wurde kalt,
Drum badet er im Bache
den ganzen Leib alsbald.
11.
Da ward sein Leib ihm hürnen
Bis auf die Stell allein
Zwischen seinen Schultern,
Wo er das Leben sein
Verlor, wie euch in andern
Gedichten wird gesagt.
Er zog zu König Gibich
an Mannheit unverzagt.
12.
Gar willig diente dem König
Er seine Tochter ab,
Bis daß der König Gibich
Sie ihm zum Weibe gab;
Die hatt er wohl acht Jahre.
Nun hört, was da erging,
Und wie er, eh sie sein ward,
Vollbrachte Wunderding.
13.
Nun mögt ihr gerne hören
Vom Nibelungenhort;
Man fand bei keinem Kaiser
So reichen Schatz hinfort.
Den fand der kühne Siegfried
An einer Felsenwand,
Ein Zwerg hielt ihn verschlossen,
Der Niblung war genannt.
14.
Als tot in seinem Berge
Zwerg Niblung verblieb,
Ließ er drei junge Söhne,
Denen war der Schatz auch lieb.
Sie saßen in dem Berge
Und hüteten den Hort,
Um den sich bei den Heunen
Hub jämmerlicher Mord
15.
An manchen kühnen Helden,
Den man dort niederschlug
Im harten Streit. Die Märe
Erzählt davon genug.
Niemand entrann lebendig
Das sei euch wohlbekannt
Als Dietrich, Herr von Berne,
Und Meister Hildebrand.
Drittes Abenteuer
Wie Siegfried den Zwerg Eugel fand.
16.
Es liegt eine Stadt am Rheine,
Die Worms geheißen ist:
Der König Gibich herrschte
Dort in der Stadt zur Frist.
Von seiner Herrin hat er
Drei Söhne adelig
Und dazu eine Tochter,
Um die manch Held erblich.
17.
Der jungen Königssöhne
Schwester, die war schön.
Sie tät an einem Mittag
Am offnen Fenster stehn;
Da flog ein wilder Drache
Jäh durch die Luft heran
Und führt in schnellem Fluge
Die schöne Maid hindann.
18.
Die Burg ward hell erleuchtet,
Als würde sie verbrannt,
Als so das Ungeheuer
Mit dem Jungfräulein verschwand.
Er schwang sich in die Lüfte
Hoch ins Gewölk hinein.
Die Eltern standen beide
Und mußten traurig sein.
19.
Er trug sie ins Gebirge
Auf einen hohen Stein,
Der eine Viertelmeile
Weit warf den Schatten sein.
Die Maid um ihre Schöne
Dem Drachen am Herzen lag;
An Essen und an Trinken
Ihr nichts bei ihm gebrach.
20.
Er hielt sie auf dem Steine
Bis in das vierte Jahr.
Sie sah dort keinen Menschen,
Das glaubet mir fürwahr,
Sie war auch oft alleine
Zwölf Wochen oder mehr
Und mußte täglich weinen:
Ihr Elend war so schwer.
21.
Sein Haupt der Drache legte
Der Jungfrau in den Schoß;
Und doch war seine Stärke
Ohn alle Maßen groß:
Wenn er den Atem ausließ
Und wieder an sich zog,
So mußt der Fels erzittern
Unter dem Drachen hoch.
22.
An einem Ostertage
Der Drache ward ein Mann.
Da sprach die reine Jungfrau:
"Wie schlecht habt ihr getan,
O Herr, an meinem Vater
Und an der Mutter mein,
Daß nun in Leid und Jammer
Die Königin muß sein.
23.
"O weh, viel lieber Herre,
Schon manchen Tag ist's her,
Daß Vater ich und Mutter
Mit Augen sah nicht mehr
Und auch die lieben Brüder;
Könnt es mit Fug geschehn,
So wollt ich euch fein danken,
Dürft ich sie wiedersehn.
24.
"Wollt ihr nach Haus mich lassen
Und führen wieder heim,
Mein Haupt setz ich zum Pfande,
Ich kehr zurück zum Stein.
Gewährt es, edler Herre,
Gewährt's, beim höchsten Gott,
So will ich immer gerne
Erfüllen eu'r Gebot."
25.
Da sprach das Ungeheuer
Zur Jungfrau also hehr:
"Deinen Vater, deine Mutter
Erblickst du nimmermehr.
Du sollst kein lebend Wesen
In Zukunft wiedersehn,
Mit Leib und Seele sollst du
Zur Höll hernieder gehn.
26.
"Du schönes Mägdlein brauchst dich
Zu schämen nicht von mir,
Den Leib und auch dein Leben
Will ich nicht nehmen dir;
Von heut ab in fünf Jahren
Werd ich zu einem Mann,
Dann nehm ich dir dein Magdtum,
Du Jungfrau wohlgetan.
27.
"So mußt du meiner harren
Fünf Jahr und einen Tag
Und dann zur Fraue werden,
Wenn ich es fügen mag:
Dann mußt mit Leib und Seele
Du zu der Höllen Grund.
Dem König, dessen Tochter
Du bist, mach ich's noch kund.
28.
"Was ich dir hier nun sage,
Das ist wahrhaftig wahr:
Ein Tag ist in der Hölle
So lang wie hier ein Jahr;
Da mußt du drin verbleiben
Bis an den Jüngsten Tag;
Will Gott sich dein erbarmen,
Das tu er, wenn er mag."
29.
"Mein Lebtag hört ich sagen,
Gewaltger Jesu Christ,
Daß du gewaltig wärest
Über alles, was da ist
Im Himmel und auf Erden
Und über jedes Ding;
Ein Wort zerbrach die Hölle,
Das aus deinem Munde ging.
30.
""O reine Magd Maria,
Du Himmelskaiserin,
Ich armes Mägdlein gebe
Mich deiner Gnade hin.
Von dir die Bücher sagen,
Du tugendreine Frau,
Hilf mir von den Steine,
Auf dich ich fest vertrau.
31.
"O wüßten meine Brüder
Mich auf dem hohlen Stein
Und gält es auch ihr Leben
Sie brächten mich wieder heim,
Dazu mein lieber Vater:
Sie hülfen mir aus Not."
Sie weint aus ihren Augen
Täglich das Blut so rot.
Viertes Abenteuer
Wie Siegfried den Riesen Kuperan bestand.
32.
Der König Boten sandte
Umher in alles Land
Nach seiner schönen Tochter,
Ob sie denn keiner fand.
Das war der größte Jammer
Wohl in der weiten Welt,
Bis daß sie von dem Steine
Erlöst ein kühner Held.
33.
Nun war zu diesen Zeiten
Ein Jüngling stolz und kühn,
Sproß eines reichen Königs:
Siegfried hieß man ihn;
Der trug so große Stärke,
Daß er die Löwen fing
Und sie dann zum Gespötte
Hoch an die Bäume hing.
34.
Und als derselbe Siegfried
Erwuchs zu einem Mann,
Wollt er an einem Morgen
Früh jagen in dem Tann
Mit Habicht und mit Hunden,
Der stolze, kühne Mann;
Den starken Hunden hätt er
Verleidet fast den Tann.
35.
Weit lief der Bracken einer
Voraus ihm in den Tann:
Ihm sprengte nach Herr Siegfried,
Der wunderkühne Mann,
Auf eine Spur gar seltsam,
auf der der Drache fuhr
Mit ihr, der edlen Jungfrau:
die Bracken hielten Spur.
36.
Siegfried ritt nach den Hunden
Bis an den vierten Tag
Und Essens oder Trinkens,
Und auch nicht der Ruhe pflag.
Er kam am vierten Morgen
Ins Hochgebirg hinein:
Siegfried war unverdrossen
Und folgte hinterdrein.
37.
Er war da rein verirret
In diesem finstern Wald,
Die Straßen und die Stege
Hatt er verloren bald.
Er sprach: "O reicher Herrgott,
Wo wagt ich mich hinein?"
Nicht wußt er, daß er tröste
Das edle Mägdelein.
38.
Gefochten hatte Siegfried
Kühn all das Leben sein,
Drum dienten ihm gar gerne
Fünftausend Zwergelein.
Dem werten Degen gaben
Sie willig hin ihr Gut:
Einen Wurm hatt er erschlagen,
Der sie gequält aufs Blut.
39.
Da kam der liebe Siegfried
Vor den Drachenstein zu stehn,
Er hatte solche Felswand
Sein Lebtag nicht gesehn.
Müd und matt geworden
Waren Roß und Mann:
Da sprang der kühne Degen
Vorm Stein vom Roß hindann.
40.
Vernehmet gern die Märe,
Was er gesprochen da,
Als sich der kühne Siegfried
Dort vor dem Steine sah:
"O reicher Gott vom Himmel,
Wer wies die Wege mir?
Satan hat mich betrogen!
Welch Wunder seh ich hier?"
41.
Wie schnell ward es um Siegfried
Dunkel dort im Wald!
Die Bracken nahm der Degen
An seine Arme bald.
"Es wolle Gott im Himmel,"
So sprach der Degen hehr,
"Sonst komm ich aus des Waldes
Dunkel nimmermehr."
42.
Er ging zu seinem Rosse,
Zu reiten schnell hindann;
Da sah er zu ihm jagen
Her durch den finstren Tann
Ein Zwerglein, das hieß Eugel;
Sein Roß war schwarz wie Nacht,
Sein Seidenkleid, beschlagen
Mit Goldes reicher Pracht.
43.
Er trug an seinem Leibe
Viel Zobelborten zier
Und herrliches Geschmeide:
So ist berichtet mir.
Wär noch so reich ein König,
Die Pracht hätt ihn beglückt,
Und sicher hätt in Ehren
Er sich damit geschmückt.
44.
Auf seinem Haupte trug er
Eine Krone reicher Art,
Dergleichen hier auf Erden
Noch nie gesehen ward;
Es strahlt in seiner Krone
So mancher Edelstein,
Daß nie so schön auf Erden
Möchte eine Krone sein.
45.
Da sprach das Zwerglein Eugel,
Als er den Helden sah,
Gern mögt ihr nun wohl hören,
Wie seine Rede geschah,
Und empfing mit Zucht und Tugend
Den auserwählten Mann;
Es sprach: "Nun sagt mit, Herre,
Was bringt euch in den Tann?"
46.
"Nun dank dir Gott, " sprach Siegfried,
"Herzinnig kleiner Mann,
Denn deine Treu und Tugend
Mir trefflich nützen kann:
Nun sprich, da du mich kennest,
Wie hieß der Vater mein?
Ich bitte, daß du nennest
Ihn und mein Mütterlein."
47.
Siegfried der Degen hatte
Verlebt manch Lebensjahr
Und wußt in keiner Weise,
Wer Vater und Mutter war:
Sehr früh ward er versendet
In einen finstren Tann,
Darin ihn zog ein Meister,
Bis er erwuchs zum Mann.
48.
Wohl zwanzig starker Männer
Stärk er dort gewann.
Da sprach zu ihm das Zwerglein:
"Das sei dir kundgetan!
Deine Mutter hieß Sieglinde,
Von hohem Adel war,
Dein Vater König Siegmund,
Dem sie das Kind gebar.
49.
"Von hinnen sollst du kehren,
Siegfried, du werter Mann,
Und tust du's nicht beizeiten,
Setzt du dein Leben dran.
Ein grimmer Drache hauset
Auf diesem Steine hier,
Und wenn er dein gewahr wird,
So geht's ans Leben dir.
50.
"Auch wohnt auf diesem Steine
Das schöne Mägdelein,
Das sollst du sicher wissen,
Das laß gesagt dir sein.
Sie ist von Christenleuten
Eines Königs Tochter hehr;
Will Gott sich nicht erbarmen,
Erlöst sie niemand mehr.
51.
"Ihr Vater heißet Gibich
Und sitzet an dem Rhein,
Kriemhilde heißt die Kön'gin
Und ist die Tochter sein."
Da sprach Siegfried, der kühne:
"Die ist mir wohl bekannt;
Wir waren hold einander
In ihres Vaters Land."
52.
Als so Siegfried, der kühne,
Die Märe recht vernahm,
Stieß er das Schwert in die Erde
Und zu dem Steine kam;
Darauf schwur er drei Eide,
Der auserwählte Mann,
Er käme nicht von dannen,
Eh er nicht die Maid gewann.
53.
Da sprach das Zwerglein Eugel:
"Siegfried, du kühner Mann,
Laß ab von dem Beginnen,
Vergebens ist dein Plan;
Und schwurest du drei Eide,
Daß du gewinnst die Maid,
So laß mich ziehn von dannen
Aus des Waldes Einsamkeit.
54.
"Ja, hättest du bezwungen
Das halbe Teil der Welt,
Daß zweiundsiebzig Zungen
Dir dienstbereit, du Held,
Daß Christen dir und Heiden
Müßten untertänig sein,
Du müßtest dennoch lassen
Die Schöne auf dem Stein."
55.
Da sprach Siegfried behende:
"Nicht doch, du kleiner Mann,
Hier deine Treu und Tugend
Ich nicht entbehren kann;
Heil du mir hier gewinnen
Das schöne Mägdelein,
Sonst schlag ich samt dem Haupte
Dir ab die Krone dein."
56.
"Verlör ich denn mein Leben
Hier um die schöne Maid,
So entgält ich meiner Treue;
Ich sag's bei meinem Eid:
Nur Gott allein, dem alle
Dinge untertan,
Sonst, sag ich dir, kein Wesen
Der Welt dir helfen kann."
57.
Da wird der kühne Siegfried
So zornig und ergrimmt,
Daß er das kleine Zwerglein,
Bei seinem Schopfe nimmt;
Er schlägt mit Leibeskräften
Ihn an die Felsenwand,
Daß ihm die reiche Krone
Zerstückt fällt in den Sand.
58.
Der sprach: "Nun laß dein Zürnen,
Du tugendhafter Mann!
Gern will ich, edler Siegfried,
Dir raten, was ich kann;
Ich will mit ganzen Treuen
Dich weisen auf die Spur."
"Das danke dir der Teufel,
Tust du's gezwungen nur!"
59.
Der sprach: "Hier ist gesessen
Ein Riese, Kuperan,
Dem ist auf tausend Rasten
Das Gefilde untertan.
Derselbe hat den Schlüssel,
Der aufschließt diesen Stein."
"Den zeige mir," sprach Siegfried,
"Zum Heil dem Mägdelein!
60.
"Den sollst du mir hier zeigen,
Ist lieb dein Leben dir."
Da sprach das edle Zwerglein:
"Bald mußt du fechten hier
Um dieses Weib so mächtig,
Wie niemals focht ein Mann."
"Ich freu mich des," sprach Siegfried,
"Was du mir kündigst an."
Fünftes Abenteuer
Wie der Riese Siegfried zweimal verriet.
61.
Da wies der Zwerg Herrn Siegfried
Am Berghang weiter vor,
Bis daß er an der Felswand
Stand vor des Riesen Tor.
Da rief hinein Herr Siegfried
Wohl in des Riesen Haus
Und heischte frohen Mutes
Den Riesen zu sich heraus.
62.
Da sprang der ungetreue
Schnell vor die Felsenwand
Mit einer Eisenstang;
Die trug er in der Hand.
"Was hat dich hergetragen,
Du junges Knäbelein?
Es soll in diesem Walde
Gar bald dein Ende sein!
63.
"Mein Wort ich dir verpfände,
Du duldest Todes Not."
Da sprach Siegfried der Degen:
"Hilfreich ist unser Gott.
Woll er mir Hilfe bringen,
Seine Macht und Stärke leihn,
Daß du mir müssest geben
Das schöne Jungfräulein.
64.
"Wie müssen Zeter schreien
Und Mord stehts über dich,
Daß du die Maid einschließest
So einsam und jämmerlich
In diesem hohen Steine,
Wo sie in schwerer Pein
Mehr als vier ganze Jahre
Schon muß gelegen sein."
65.
Da ward dem Ungetreuen
Von Grimm erfüllt der Mut,
Er schlug mit seiner Stange
Nach Siegfried voller Wut;
Von seiner Stange Länge
Das Wunder da geschah,
Daß man mehr als die Hälfte
In der Bäume Wipfeln sah.
66.
Kuperan zu vielen Schlägen
Die Eisenstange schwang,
Daß sie wohl eine Klafter
Tief in die Erde drang.
Nun führt er gegen Siegfried
Einen Schlag mit großer Macht;
Siegfried sprang fünf Klafter
Rückwärts mit Bedacht.
67.
Gleich sprang fünf Klafter wieder
Vor der kühne Mann,
Indem mit Bücken hochhob
Die Stange Kuperan,
Und schlug dem viele Wunden,
Daß gleich ein Blutstrom rann;
Es schlug so tiefe Wunden
Auf Erden nie ein Mann.
68.
Auf sprang der Ungeheure
Und lief den Herrn Siegfried an
Mit seiner Eisenstange
Und drohend zu ihm begann:
"Dein Leben hast verloren
Du in kurzer Frist!"
Da sprach zu ihm Herr Siegfried
"Wenn's Gottes Wille ist!"
69.
Und als der Ungetreue
Die Wunden nun empfand,
Ließ er die Stange fallen
Und floh zur Felsenwand.
Da hätt ihn wohl Herr Siegfried
Gebracht in Todespein,
Doch dacht er an die Jungfrau,
Die mußte gefangen sein.
70.
Kuperan verband die Wunden
Und wappnete sich gleich
Mit einer guten Brünne,
die köstlich war und reich,
Von eitel klarem Golde,
Getränkt in Drachenblut.
Kein Panzer, außer Ortnits
Brünne, war so gut.
71.
Ein gutes Schwert der Riese
An seine Seite band,
Nach seiner Läng und Stärke
Gemacht und seiner Hand.
So trefflich war die Schneide,
man gäbe drum ein Land;
Kein Mann, zog er's im Streite,
Lebend vor ihm bestand.
72.
Dann auf das Haupt er setzte
Einen Helm von hartem Stahl,
Der glänzte wie im Meere
Weithin der Sonne Strahl.
Den Schild nahm er zuhanden,
Der wie ein Stalltor war,
Von eines Schuhes Dicke,
Das glaubet mir fürwahr.
73.
So sprang der Ungeheure
Her aus der Felsenwand,
Ein andre Eisenstange
Hatt er in seiner Hand,
Die schnitt an den vier Kanten,
Wie kein Messer schneiden kann,
Und klang so hell, als hörte
Vom Turm die Glocken man.
74.
Da sprach der Ungeheure:
"Sag an, du kleiner Mann
Daß dich der Teufel hole,
Was hatt ich dir getan,
Daß du mich wolltest morden
In meinem eignen Haus?"
"Das lügst du," sprach Herr Siegfried,
"Ich rief dich doch heraus!"
75.
Da sprach der starke Riese:
"Du seiest mir verflucht!
Ich will's dir wohl vergelten,
Daß du mich aufgesucht.
Für dich wär es wohl besser,
Wenn du es ließest sein.
Nun mußt du hangen lernen
Hier um den Frevel dein."
76.
"Das soll dir Gott verbieten,
Du Bösewicht tugendleer,
Ich kam um Henkens willen
Wahrhaftig nicht hierher.
Ich will durch dich gewinnen
Die Maid hier von dem Stein,
Sonst sag ich dir wahrhaftig,
Dein Leben wird dir klein!"
77.
Da sprach der Ungeheure:
"Ich sag es ohne Streit,
Daß ich dir nimmer helfe
Gewinnen diese Maid;
Ich weiß dich wohl zu hindern,
Du kennst nicht meinen Mut,
Daß nie dich soll gelüsten
Nach einer Jungfrau gut!
78.
"Darum künd ich dir Fehde
Für heut und alle Zeit!"
Siegfried gab ihm zur Antwort:
"Ich bin seit früh bereit!"
Die beiden kühnen Streiter
Liefen hart einander an
Also mit schweren Schlägen
Dort in dem finstren Tann.
79.
Bald von der beiden Stärke
Ein solcher Streit geschah,
Daß man das wilde Feuer
Auf ihren Helmen sah;
Wie gut der Schild gewesen,
Den der Riese trug,
Herr Siegfried gar behende
Ihm den in Stücke schlug.
80.
Dem langen Riesen hatt er
Die Wehr bald unterrannt
Und schnitt ihm von dem Leibe
Sein gutes Stahlgewand.
Da stand mit Blut beronnen
Der Riese Kuperan
Aus sechzehn tiefen Wunden,
Die er von ihm empfan.
81.
Laut rief in seinen Nöten
Der Riese Kuperan:
"O lasse mir mein Leben,
Du edler, tapfrer Mann!
Du fichst mit ganzem Leibe
In vollster Tapferkeit
Und bist ein edler Degen,
Der niemals zagt im Streit.
82.
"Du stehst hier ganz alleine
Und bist ein kleiner Mann,
Will ich mit dir mich messen,
Der dich nicht zwingen kann,
Du sollst mich lassen leben,
Dann geb ich selbst mich dir,
Und weiter sollst du haben
Auch Brünn und Schwert von mir."
83.
"Gern will ich das erfüllen,"
Sprach drauf der werte Mann;
"Wenn ich durch dich gewinnen
Die Maid vom Steine kann,
So schwör ich dir hier Treue."
"Ohne Zweifel darfst du sein,
Ich schaffe dir vom Steine
Das schöne Mägdelein."
84.
Da leistete von beiden
Jedweder seinen Eid.
Herr Siegfried hielt den seinen,
Der Degen allezeit.
Also der Ungetreue
Des Siegs verlustig ging,
Doch war ihm für sein Leben
Der Vorteil sehr gering.
Sechstes Abenteuer
Wie der Wurm gefahren kam und Niblungs Söhne den Hort aus dem Berge trugen.
85.
Da spach Siegfried der Degen,
Der werte Ritter, mehr:
"Weiß Gott, Gesell, mich schmerzen
Deine Wunden sehr."
Da rieß er sich vom Leibe
Sein seiden Prachtgewand,
Damit dem Ungetreuen
Die Wunden selbst verband.
86.
Da sprach der Ungetreue:
"Dort liegt das Felsgestein,
Erfahr es traut Geselle;
Wo mag die Türe sein?
Das wollen wir beschauen,
Du edler, tapfrer Mann.
Was wir getan einander,
Vergessen sei's fortan."
87.
Sie kamen miteinander
Vor eines Wassers Lauf.
Schnell hob der Ungetreue
Die Eisenstange auf,
Und als der kühne Siegfried
Ging vor ihm in den Wald,
Da sprang der Ungetreue
Auf Siegfried los alsbald.
88.
Er gab Siegfried dem Helden
Einen ungefügen Schlag,
Daß unter seinem Schilde
Der edle Ritter lag,
Nicht anders anzuschauen,
Als ob er wäre tot;
Schnell aus Mund und Nase
Schoß ihm das Blut so rot.
89.
Als so der edle Siegfried
Lag unterm Schildesrand,
Da war das Zwergelein Eugel
Gleich helfend bei der Hand.
Er nahm eine Nebelkappe
Und warf sie über ihn,
Dem grimmen Blick des Riesen
Den Degen zu entziehn.
90.
Der lief hin nach den Bäumen
Und suchte den werten Mann:
"Hat dich entführt der Teufel
Oder hat es Gott getan,
An dir getan ein Zeichen?
Erst standest du doch hier,
Ich streckte dich zu Boden
Und nun entweichst du mir?"
91.
Des Riesen Rede hörte
Das Zwerglein lachend an,
Es richtet auf den Degen
Und setzt ihn auf den Plan,
Da saß eine gute Weile
Der auserwählte Mann,
Bis daß der kühne Degen
Neue Lebenskraft gewann.
92.
Als wieder zu sich selber
Der edle Siegfried kam,
Da sah er bei sich sitzen
Das Zwerglein wonnesam.
"Nun lohn dir Gott," sprach Siegfried,
"Du wunderkleiner Mann,
Ich kann nicht anders sagen,
Du hast mir wohl getan."
93.
Da sprach das Zwerglein Eugel:
"Das mußt du doch gestehn,
Dir wär ohne meine Hilfe
Viel schlimmer noch geschehn.
Du sollst dich ganz entschlagen
Der Maid, hörst du auf mich,
Und unterm Schutz der Kappe
Entziehn dem Riesen dich."
94.
Da sprach der kühne Siegfried:
"Nein, das soll niemals sein,
Und hätt ich tausend Leben,
Ich setzte sie alle ein
Bei meiner Treue sag ich's
Hier um die schöne Maid.
Noch einmal sei versucht es,
Ob mir's zum Heil gedeiht."
95.
Wie er so unerschrocken
Die Kappe von sich warf!
Das Schwert mit beiden Händen
Hieb er acht Wunden scharf
Dem ungefügen Manne
Und rief zur Maid empor.
Kuperan von seinen Schlägen
Das Leben fast verlor.
96.
"Mit allen Leibeskräften
Hast du den Kampf gewagt,
Doch seh ich ganz allein dich,
Du Degen unverzagt.
Und schlägst du mich zu Tode,
Du auserwählter Mann,
So ist auf Erden niemand,
Der zu der Jungfrau kann."
97.
Darob Siegfried der Degen
In Gedanken schwer versank,
Das kam von großer Liebe,
Die ihn zum Mägdlein zwang.
Er mußte leben lassen
Den ungetreuen Mann.
Er sprach: "Zieh deiner Straßen,
Doch schreite mir voran
98.
"Und weise mich auch balde
Zur Maid, zur Herrin mein,
Sonst schlag ich dir das Haupt ab,
Und fiele die Welt drum ein."
Da mußte der Ungetreue
Nachtun in seiner Not
Des jungen Helden Siegfried,
Des Ritters, Machtgebot.
99.
Sie gingen miteinander
Zum Drachenstein heran,
Den Schlüssel nahm zu Händen
Der ungetreue Mann.
Der Stein ward aufgeschlossen,
Daß er unten offen stand;
Acht Klafter unter der Erde
Versteckt die Tür man fand.
100.
Und als der Stein erschlossen
Und unter aufgetan,
Wie bald hielt fest den Schlüssel
Siegfried, der kühne Mann!
Er hat ihn aus dem Schlosse
Gerissen mit Gewalt.
Er sprach: "Zieh deine Straße
Und geh voran mir bald!".
101.
Sie wurden beide müde,
Eh sie kamen auf den Stein.
Als Siegfried sah vor Augen
Das schöne Mägdelein,
Da hub sie an zu weinen
Und rief in Tränen aus:
"Dich hab ich schon gesehen
In meines Vaters Haus.
102.
"Sei mir willkommen, Siegfried,
Herr und Gebieter mein!
Wie geht es Vater und Mutter
In Worms wohl an dem Rhein
Und meinen lieben Brüdern,
Den Kön'gen reich an Preis?
Sag's mir bei deiner Treue,
Damit ich's endlich weiß."
103.
Da sprach Siegfried der Degen:
"Schweig, laß das Weinen sein,
Du sollst mit mir von hinnen,
Du Jungfrua, schön und rein.
Denn bald will ich dir helfen
Aus dieser großen Not,
Wenn nicht, so will ich lieber
Hier selber liegen tot."
104.
"Nun, Siegfried, Gott dir's lohne,
Du Ritter ausersehn!
Jedoch mir bangt, du könntest
Den Drachen nicht bestehn.
Es ist der schlimmste Teufel,
Den jemals ich gesehn,
Und wirst du sein ansichtig,
So mußt du's selbst gestehn."
105.
Da sprach der kühne Siegfried:
"Mag er auch scheußlich sein,
Ich will nicht gern verlieren
Die großen Mühen mein.
Schwer hab ich streiten müssen
Mit dem ungefügen Mann,
Und wär's der Teufel selber,
Ich griff ihn dennoch an."
106.
"Nun lohn es Gott dir, Siegfried,
Des Kampfes Not und Pein
Hast du um mich erlitten,
Gewagt um mich allein,
Und hilf mir Gott zur Heimat,
Des sollst du sicher sein,
Vertrau auf meine Treue,
Kein andrer Mann wird mein."
107.
Da trat hervor zum Steine
Der Riese Kuperan,
Er sprach: "Hier ist verborgen
Ein Schwert gar wohlgetan,
Damit ein edler Ritter
Den Drachen niederringt,
Sonst ist kein Stahl auf Erden,
Der ihn besiegt und zwingt."
108.
Was er da sprach vom Schwerte,
Volle Wahrheit war daran.
Siegfried nicht klug sich wahrte
Vor dem ungetreuen Mann:
Da schlug der starke Riese
Im eine Wunde schwer,
Daß kaum mit einem Beine
Er stand auf dem Steine mehr.
109.
Siegfried ergriff den Riesen,
Sich hub ein Ringen schwer,
Der Drachenstein erbebte;
Die Maid erschrak gar sehr.
Sie weint und wand die Hände,
Das zarte Jungfräulein,
Sie rief: "Gott, deine Hilfe
Wolle du dem rechten leihn!
110.
"Sollst du um meinetwillen
Den Leib verlieren hier,
So muß der Kummer nagen
Stets am Herzen mir,
So will ich mich verfallen
Aus dieser großen Not
Von diesem hohen Steine,
Daß mich befreit der Tod.
111.
"Darum, du kühner Siegfried,
Bewahre deinen Leib
Und denk an deine Kampfnot
Und an mich armes Weib!"
Da sprach Siegfried der Degen:
"Du Mägdlein, schön und hehr,
Ich will mich schon bewahren,
Sorg dich um mich nicht mehr."
112.
Sie rangen miteinander;
Das sah das schöne Weib.
Der Ungetreue mußte
Verlieren Leben und Leib.
Siegfried griff in die Wunden
Dem ungefügen Mann
Und riß sie auseinander,
Daß ihm die Kraft zerrann.
113.
Da begann er hinzusinken
Vor Siegfried auf den Plan:
"Du sollst mich leben lassen,
Du kraftgewaltger Mann!
Mit Ernst will ich dich bitten,
Du Ritter unverzagt!
Ich ward dir dreimal treulos,
Stets sei es Gott geklagt."
114.
Da sprach Siegfried der Degen:
"Dein Reden hilft dir nicht,
Da ich mit Augen schaute
Des Mägdlein Angesicht."
Er nahm ihn bei den Armen
Und warf ihn von dem Stein:
Er fiel in tausend Stücken;
Des lachte das Mägdelein.
Siebentes Abenteuer
Wie Siegfried den Drachen erschlug und den Hort in den Rhein schüttete.
115.
Als nun der kühne Siegfried
Den Sieg erkämpft im Streit,
Da trat er wohlerzogen
Hin vor die schöne Maid:
"Du schönste aller Frauen,
Laß nun dein Weinen sein,
Ich bin jetzund gerettet
Durch dich, hold Mägdelein.
116.
"Nun helf ich dir in Bälde
Aus dieser großen Not,
sonst will ich, mir vertraue,
Vor dir hier liegen tot."
"Nun lohn es Gott dir, Siegfried,
Du unverzagter Mann,
Mir bangt bei meiner Treue,
Viel Weh kommt uns noch an."
117.
Da sprach der kühne Siegfried:
"Naht uns noch Not und Pein,
So soll's von ganzem Herzen
Für immer Leid mir sein.
Bin ich doch nun gewesen
Bis an den vierten Tag
Ohn Essen und ohne Trinken
Und keiner Ruhe pflag."
118.
Erschrocken hörten beide,
Die edle Jungfrau dort
Und Eugel das Gezwerge,
Siegfrieds mißmutig Wort.
Der Zwerg sprach schnell zu Siegfried:
"Ich trag euch gute Speis
Her nach dem hohlen Steine,
Die beste, die ich weiß.
119.
"Für vierzehn Tage bring ich
Euch Speis und Trank genug."
Her aus dem hohlen Berge
Er ihm das Essen trug,
Ihm dienten da bei Tische
Viel gute Zwergelein,
Auch nahm sich an mit Fleiße
Siegfrieds das Jungfräulein.
120.
Doch eh sie gegessen,
Vernahm man lauten Schall,
Als ob das Hochgebirge
Herniederbräche zutal.
Darob erschrak gewaltig
Das schöne Mägdelein;
Sie sprach: "Ach, lieber Herre,
Jetzt wird's eur Ende sein.
121.
"Und stünd auch zu Gebote
Uns zwein die ganze Welt,
Wir wären doch verloren,
Das wisse, kühner Held."
Da sprach der kühne Siegfried:
"Wer nähm uns wohl das eben,
Das Gott in seiner Güte
Auf Erden uns gegeben?"
122.
Der Maid, der minniglichen,
Der war von Ängsten heiß;
Mit seinem Seidenkleide
Wischt er ihr ab den Schweiß
Und sprach: "Du sollst nicht trauern,
Dieweil ich bei dir bin."
Die Zwerge, die ihm dienten
Bei Tische, flohn dahin.
123.
Als im Gepräche waren
Die Herzelieben zwei,
Da fuhr von dreien Meilen
Der böse Drach herbei.
Das sah man an dem Feuer,
Das stieß sein Rachen aus:
Wohl dreier Spieße Länge
Loht ihm die Glut voraus.
124.
Das kam, weil ihn verwandelt
In Teufels Art ein Fluch,
Darum er einen Teufel
Auch immer bei sich trug
Als einen Feuerdrachen;
Doch war es nicht zur Pein
einer Seel und seiner Sinnen:
Die mußten willig sein.
125.
Er trug vernünftig Wesen
Ganz nach der Menschen Art
Einen Tag dazu fünf Jahre,
Bis er zum Menschen ward,
Zum allerschönsten Jüngling,
Wie man nicht oft ihn sucht.
Von Bulschaft war's gekommen:
Ihn hatt ein Weib verflucht.
126.
Der Drach um ihre Schöne
Gar menschlich hielt die Maid,
Weil er sie haben wollte
Nach dieser Jahre Zeit.
Die Zeit wollt er sie halten,
Dieweil er Drache wär,
Dann sollte sie sein werdn,
Sonst geschäh es nimmermehr.
127.
Und da ihm nun Held Siegfried
Die Jungfrau nehmen wollt,
Die er gespeit so lange
Und sie zu Worms geholt,
Darum kam er so grimmig
Hin an den Stein gefahren;
Mit Glut wollt er verbrennen,
Die auf dem Steine waren.
128.
Das Mägdlein war voll Sorge;
Siegfried den Rat sie gab,
Sie wollten beide flüchten,
Daß er sie nicht hinab
Im Flug vom Steine stieße,
In eine Höhl hinein,
Die unterm Drachensteine
Ging tief in das Gestein,
129.
Sich vor dem Wurm zu fristen
Und seinem Feuerhauch.
Er kam daher mit Feuer,
Nach Teufels Prunk und Brauch
Kam er zum Stein gefahren:
Der Stein erbebte hart,
Niemals, solang die Welt stand,
Er so erschüttert ward.
130.
Siegfried hatt mitgenommen
Das Schwert, das Kuperan
Voll Tück ihm hat gewiesen,
Als er ihn zu morden sann:
Siegfried sich bücken sollte
Zum Schwert zum Abgrund hin,
Ihn dann hinabzustoßen
Dacht er in seinem Sinn.
131.
Siegfried mit diesem chwerte
Vor aus der Höhle sprang,
Mit großen grimmen Schlägen
Er auf den Drachen drang.
Der Wurm mit seinen Klauen
Siegfried den Schild entwand;
Siegfried vor großen Ängsten
In Schweiß gebadet stand.
132.
Der Stein ward allenthalben
Bedeckt mit heißer Glut;
Wie wenn ein glühend Eisen
Man aus der Esse tut,
So ließ der grause Drache
Die große Glut erstehn
Und immer über Siegfried
Höllenglut ergehn.
133.
Sie übten auf dem Steine
Und auf dem hohlen Berg
So ungestümes Streiten,
Daß mancher wilde Zwerg
Hinauslief ais dem Walde:
Ihnen bangt in dieser Not,
Der Felsen bräch zusammen
Und schlüg sie alle tot.
134.
Von Niblungs Söhnen waren
Zwei in dem Berge dort,
Es waren Eugels Brüder,
Die hüteten den Hort
Von ihren Vater Niblung.
Als also wankt ihr haus,
Da ließen beide tragen
Des Vaters Schatz hinaus
135.
Nach einer großen Höhle
Dort in der Felsenwand
Tief unten in dem Steine.
Siegfried ihn später fand,
Wie ihr sollt nachher hören.
Nur Eugelein der Zwerg
Wußt nicht, daß sie geflüchtet
Und leer gemacht den Berg.
136.
Und daß sie in der Höhle
Versteckt des VAters Hort:
In Sorgen vor dem Wurme
War er geblieben dort.
Sie mußten alle fürchten,
Wenn Siegfried käm in Not,
So fänden alle Zwerge
Vom Drachen ihren Tod,
137.
Und auch das schöne Mägdlein
Müßte dann verloren sein.
Der Wurm schon lange wußte
Steg und Versteck im Stein:
Wenn er sich kühlen wollte,
So lag er vor der Tür,
Dieweil sielag in Schlummer.
Nicht blieb er lang von ihr,
138.
Nur wenn er Speise holte.
War es dann Winterszeit,
So saß er unterm Steine
Wohl fünfzig Klafter weit
Und er lag vor der Höhle
Und hielt die Kält ihr fern.
Wir müssen neu beginnen,
Hört ihr's zu Ende gern.
139.
Der Berg stand wie in Flammen:
Da mußte der kühne Mann
Die große Hitze fliehen,
Die ihm der Wurm tat an,
Denn immer von ihm fuhren
Die Flammen blau und rot;
Sich vor der Glut zu bergen
Tat ihm wahrhaftig not.
140.
Das Jungfräulein und Siegfried
Flohn in den Berg hinein,
Bis daß der Drach abließe,
So heiße Glut zu spein.
Er trat um einen Vorsprung
Und kam so an den Schatz.
Er meint, der Drach hätt ihn
Gesammelt auf den Platz.
141.
Kaum achtet er des Schatzes.
Da sprach das Mägdelein:
"Siegfried, viel elder Herre,
Nun naht erst große Pein.
Mit sechzig Jungen kam er,
Die giftgeschwollen sind;
Sind die noch auf dem Steine,
Eure Kraft in nichts zerrinnt."
142.
"Nicht doch, ich hörte immer,"
Sprach Siegfried unverzagt,
"Wer baut auf Gott, dem hat er
Seine Hilfe nie versagt.
Auch wenn wir sterben müssen,
Du edles Mägdelein,
Sollst du in diesen Nöten
Von mir behütet sein."
Achtes Abenteuer
Was sich mit Siegfried weiter begab.
143.
Da ward der edle Siegfried
Erfüllt von Todesmut,
Sein Schwert nahm er zu Händen
Und stieg zum Stein in Wut.
Da flüchtete vom Steine
Der jungen Drachen Schar
Und eilte ihre Straße,
Daher sie kommen war.
144.
Doch blieb der alte Drache
Und Siegfried bracht in Not;
Ihm gingen aus dem Rachen
Flammen blau und rot.
Oft stieß er heftig Siegfried,
Daß er zu Boden sank;
Noch nie mußt er erleiden
Solche Not sein Leben lang.
145.
So teufelisch der Drache
Mit seinem Schweife focht,
Daß er den kühnen Siegfried
Gar oft darin verflocht
Und meint herabzuwerfen
Ihn von dem hohen Stein.
Siegfried mußt aus der Schlinge
Sich springend oft befrein.
146.
Held Siegfried schlug mit Grimme
Den Wurm wohl auf das Horn;
Nicht lang konnt er es treiben,
Daß er ihn schlug von vorn:
Er schlug ihn an den Seiten
Auf das gehürnte Dach,
Doch mußt auch er erleiden
Vom Drachen Ungemach.
147.
Ganz weich schlug er das Horn ihm
Mit seinem Schwerte gut;
Auch strömte von dem Drachen
Selbst so gewaltge Glut,
Als wenn ein Fuder Kohlen
Erglüht in vollstem Brand;
Da wurde weich die Hornhaut
Und kam herabgerannt.
148.
Er hieb ihn voneinander
Mit manchen Schwertesstreich;
Ein Teil fiel von dem Steine
Und barst in tücke gleich,
Ein Teil stieß er vom Steine
Zum Abgrund unverweilt.
Da kam die Maid, die hehre,
Zu ihm hinaufgeeilt.
149.
Hin sank er von der Hitze,
Nicht wissend, wo er war;
Vor Müdigkeit und Ohnmacht
Ward er der inne bar,
Nicht hört er und nichts sah er,
Niemand hätt er erkannt,
Ihm war die Farb entwichen,
Kohlschwarz der Mund verbrannt.
150.
Als seine Kraft er wieder
Gewann nach langer Zeit,
Setzt er sich wieder aufrecht
Und schaute nach der Maid:
Da sah er bleich sie liegen,
Ein Jammer war's, wie tot.
Er sprach:" O Gott, vom Himmel,
Erbarm dich meiner Not!"
151.
Er kniet an ihrer eite
Und rief: "Daß Gott erbarm!
Soll ich dich tot heimführen?"
Er nahm sie in den Arm.
Da kam das Zwerglein Eugel
Und sprach mit treuem Mund:
"Ein Wurz geb ich dem Mägdlein,
Damit es wird gesund."
152.
Sobald die Wurz zum Munde
Das arme Mägdlein nahm,
Saß es gleich wieder aufrecht
Und zu sich selber kam.
Sie sprach: "TU, edler Siegfried,
Mir deine Hilfe kund,"
Umhalste ihn herzinnig
Und küßt ihn auf den Mund.
153.
Da sprach zum kühnen Siegfried
Eugel, der edle Zwerg:
"Kuperan, der falsche Riese,
Unterwarf sich unsern Berg,
Darin wohl tausend Zwerge
Ihm wurden untertan:
Wir zinsten unser Eigen
Dem ungetreuen Mann.
154.
"Nun habt ihr uns erlöset,
Befreit uns von dem Bann,
Drum wollen treu euch dienen
Wir alle Mann für Mann;
Ich will euch heim geleiten,
Euch und das Mägdelein;
Ich weis euch Weg und Stege
Nach Worms hin nach dem Rhein."
155.
Nach seinem Heim er führte
Sie in den Berg hinein
Und brachte freudig beiden
Zur Labe Speis und Wein,
Das beste, das man haben,
Was man erdenken kann,
Was nur ihr Herz begehrte,
Fand in dem Berge man.
156.
Abschied nahm dann Herr Siegfried
Von Eugel, dem König hehr,
Und seinen Brüdern,
Die Könige, wie er.
Die werten Könge sprachen:
"Du Degen, kühn im Streit,
Dahin starb unser Vater
Niblung vor Herzeleid.
157.
"Bracht Kuperan der Riese
Euch hier in Todesnot,
So war es aller Zwerge,
Die hier im Berge, Tod,
Weil wir Euch von dem Schlüssel
Des Kuperan gesagt,
Der zu dem Stein gehörte,
Darauf lag die edle Magd.
158.
Das habt ihr abgewendet,
Durch euren kühnen Streit;
Das müssen wir euch danken,
Ihr Held voll Herrlichkeit.
Drum wolln wir euch begleiten,
Euch und die hehre Maid:
Von uns mit euch ziehn tausend,
Daß euch gescheh kein Leid."
159.
"Nein," sprach Siegfried der Degen,
"Bleibt nur an eurem Ort,"
Setzt hinter sich das Mägdlein
Und trieb die Zwerge fort.
Allein den König Eugel
Nahm er als Geleit an.
Da sprach zu ihm Held Siegfried:
"Nun sag mir, wackrer Mann,
160.
"Laß deine Kunst mir nützen,
Astronomie genannt,
Dort auf dem Drachensteine
Hast du heut früh erkannt
Die Stern und ihre Zeichen,
Wie wird's ergehn uns zwein,
Mir und dem schönen Weibe,
Wie lang nenn ich sie mein?"
161.
Da sprach das Zwerglein Eugel:
"Das sei dir bald vertraut:
Du hst sie nur acht Jahre,
Das hab ich wohl geschaut.
Dann setzt man deinem Leibe
Mit Mörderhänden zu,
Ganz ohne dein Verschulden
Kommst um das Leben du.
162.
"Dein Sterben wird dann rächen
Dein wunderschönes Weib,
Manch Held muß drum verlieren
Leben noch und Leib,
So daß auf Erden nirgends
Ein Held am Leben bleibt.
Wo lebt ein Held auf Erden,
Der also ist beweibt?"
163.
Geschwind sprach Siegfried: "Ist mir
Gesetzt so kurzes Ziel
Und werd ich so gerochen,
Frag ich danach nicht viel,
Von wem ich werd erschlagen."
Der Zwerg die Red ihm bot:
"Ja , auch dein Weib, das schöne,
Erliegt in Streites Not."
164.
"Nun kehre wieder heimwärts,"
Sprach Siegfried zu dem Zwerg.
So schieden sie voll Jammer.
Heimwärts zu seinem Berg
Schied wieder König Eugel.
Da fiel es Siegfried ein,
Wie er hatt lassen liegen
Den Schatz dort in dem Stein.
165.
Nun hatt er zwei Gedanken:
Er dacht an Kuperan,
Er dacht auch an den Drachen,
Daß der den Schatz häuft an;
Er dacht ihn hätt gesammelt
Der Wurm nach Menschensinn,
Wenn er zum Menschen würde,
Nähm er ihn mit sich hin.
166.
Er sprach: "Da ich mit Nöten
Den Drachenstein gewann,
So erbt, was ich gefunden
Darin zu Recht mir an."
Er ritt, den Hort zu holen.
Sein schönes Weib und er
Sein Roß damit beluden
Und trieben's vor sich her.
167.
Und als er kam zum Rheine,
Dacht er in seinem Mut:
Leb ich so kurze Zeit nur,
Was soll mir dann das Gut?
Und sollen alle Recken
Um mich verloren sein,
Was soll das Gut dann werden?
Da warf er's in den Rhein.
168.
Nicht wußt er, daß die Erben
Von Nibelung dem Zwerg,
Die Zwergenkönge, hatten
Versteckt den Schatz im Berg.
Sein Sohn, das Zwerglein Eugel,
Wußt nicht, daß er verbracht,
Er meint, er wär verborgen
Noch tief im Bergesschacht.
169.
Da kam dem König Gibich
Alsbald die frohe Mär,
Daß seine schöne Tochter
Bald wieder bei ihm wär,
Und wie vom grausen Drachen
Befreiung ihr geschafft.
Gibich ließ bald entbieten
Die ganze Ritterschaft.
170.
Sie ritten all entgegen
Siegfried, dem werten Mann,
Kein Kaiser je auf Erden
So große Ehr gewann.
Der König sandte Botschaft
In manches Reich und Land,
Den Königen und Fürsten
Macht er die Mär bekannt,
171.
Damit ein jeder käme
Nach Worms hin an den Rhein
Zu seiner Tochter Hochzeit.
Die Fürsten ritten ein.
Bei Hof, wie's Fürsten ziemet,
Emfing man herrlich sie;
Worms sah in seinen Mauern
So viele Fürsten nie.
172.
Der Hochzeit Feier währte
Zwei Wochen und manchen Tag,
Wo man turniert und rannte
Und Ritterspiele pflag.
Sechzehn Turniere hielt man,
Bevor man ritt hindann.
Mit Futter und mit Kleidern
Versah man Roß und Mann.
173.
Siegfried bot gut Geleite
Und hielt ein stark Gericht:
Wenn einer Gold auch führte,
Sich fürchten braucht er nicht.
So hatt er alle Dinge
Kraftvoll und wohl bestellt.
"Der Teufel will's," sprach Günther,
"Daß man so wert ihn hält
174.
"Vor andern kühnen Helden,
Was deren Ehren schwächt,
Die auch so gut von Adel,
Wie er ist von Geschlecht.
Dabei trägt er alltäglich
Die volle Waffenzier
Und schätzt damit die Helden
Gering im Lande hier."
175.
Da sprach der grimme Hagen:
"Er ist der Schwager mein,
Will er das Land regieren
Bei uns hier an dem Rhein,
So mag er sich wohl hüten,
Daß er's in nichts verdirbt,
Denn sonst bin ich der Erste,
Von dessen Hand er stirbt."
176.
Da sprach Gernot der Degen:
"Siegfried sich schlecht beriet,
Von meinen Händen gäb ich
Gern hin das beste Glied,
Wenn unser Vater Gibich
Mit uns hätt gleichen Sinn,
Und treibt es auf die Länge,
Sag ich, zum Bösen hin."
177.
So war von Haß erfüllet
Der drei Geschwäger Sinn,
Bis daß ihr Neid und Hassen
Es endlich trieb dahin,
Daß Siegfried ward erschlagen.
Ob einem Bronnen kalt
Erstach der grimme Hagen
Ihn in dem Odenwald.
178.
Zwischen beiden Schulter
Stach er ihn todeswund,
Als sich im Brunnen kühlte
Der Degen Lipp und Mund.
Sie waren um die Wette
Gelaufen dort im Hag
Und Hagen war's befohlen,
Daß er ihn dort erstach.
179.
Wer von Kriemhildens Brüdern
Mehr hörte gerne wohl,
Den will ich unterweisen,
Wo er es finden soll:
Ihm wird in Siegfried Hochzeit
Ausführlicher Bericht,
Was vorging die acht Jahre.
Hier endet das Gedicht.
( zit. nach: Karl Pannier, Der hürnene Siegfried. (Reclam UB 5553), Leipzig: Reclam 1913)
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